Erdwärme oder Fernwärme?

Ein Blick über die Dächer Mariahilfs

Erdwärme
oder Fernwärme

Mit der Umgestaltung der Gumpendorfer Straße soll auch die Fernwärme ins Grätzl gebracht werden. Wir werfen einen Blick auf die Ausgangslage und Potenziale von Erdwärme & Fernwärme.

Ausgangslage

Im dicht bebauten innerstädtischen Wohngebiet ist der Ausstieg aus Öl- und Gasheizungen eine riesige Herausforderung. Dennoch ist der Ausstieg unvermeidbar. Einerseits um unseren Beitrag zur Erreichung der Klimaziele zu leisten. Andererseits um die Unabhängigkeit von Russland und anderen autoritären Staaten zu erreichen.

Wir müssen also aus Öl und Gas raus. Eine der besten Alternativen zur Gasheizung ist die Erdwärmenutzung mit Wärmepumpen. Dabei wird der größere Teil der Heizenergie dem Erdreich entzogen. Ein kleinerer Teil muss als elektrischer Strom zugeführt werden. Die in die Tiefe gebohrten Erdwärmesonden können auch dazu genutzt werden, Gebäude im Sommer moderat zu kühlen oder sogar Hitze von Verkehrsflächen abzuführen. Letzteres nennt sich „Heat Harvesting“.

Konventionelle Klimaanlagen heizen den öffentlichen Raum noch weiter auf und brauchen viel Strom. Bei Erdwärmenutzung hingegen wird Wärme aus dem Sommer im Erdreich für den Winter zwischengespeichert. Erdwärmepumpen sind wesentlich effizienter als Luftwärmepumpen. Sie brauchen weniger Strom und können auch in etwas weniger gut gedämmten Häusern bzw. auch ohne Fußbodenheizung eingesetzt werden.

Potenzial: Erdwärme

In innerstädtischen Gebieten ist das Potenzial für Erdwärmepumpen begrenzt. Denn die für Erdsonden verfügbare Fläche ist begrenzt. Viele Innenhöfe sind klein, schlecht zugänglich oder mit Garagen unterkellert. Eine unter anderem von der MA 20 der Stadt beauftragte Studie von ÖGUT und TU Wien kommt zu folgendem Schluss: Eine Realisierung der notwendigen Erdsonden unter öffentlichen Flächen und die Errichtung gebäudeübergreifender Systeme sind effizienter und praktikabler, als die Errichtung isolierter Lösungen. Diese Systeme werden „Anergienetze“ genannt.

Jedes Aufgraben im öffentlichen Raum bietet daher die Gelegenheit, mit etwas geringerem Aufwand Erdwärmesonden anzulegen. Dagegen ist jede Baustelle, die ohne Erdwärmesonden abgeschlossen wird, eine vertane Chance. Denn diese Baustellen bleiben auf möglichst lange Zeit mit einem neuen Straßenbelag verschlossen. Aktuell betrifft das ganz besonders die geplante Umgestaltung der Gumpendorfer Straße.

Erdwärme oder Fernwärme für die Gumpi

Unsere Anträge und Anregungen zur Nutzung des Erdwärmepotenzials unter der Gumpendorfer Straße wurden von Bezirksvorsteher und Stadtregierung bislang nicht aufgegriffen. Stattdessen wird es als großer Erfolg und Fortschritt verkauft, dass unter der Gumpendorfer Straße eine Fernwärmeleitung verlegt werden soll. Fernwärme hat gegenüber einzelnen Gasheizungen einige Vorteile. Etwa, dass dazu unter anderem Abwärme aus Müllverbrennung und Gaskraftwerken genutzt wird. In Zukunft hoffenlich auch ein etwa 3.000 Meter tief gelegenes Thermalwasservorkommen (Tiefengeothermie).

3 Gründe gegen Fernwärme

An dieser Stelle wollen wir festhalten: Es spricht für uns nichts dagegen, dass AUCH die Fernwärme in die Gumpendorfer Straße kommt. Erdwärme und konventionelle Fernwärme können einander ergänzen, indem Fernwärme speziell an besonders kalten Tagen und/oder für schlecht dämmbare Gebäude genutzt wird, wo die Erdwärme an ihre Grenzen stößt.

Fernwärme alleine ist aber aus folgenden Gründen nicht zielführend für eine klimafitte und unabhängige Heizenergieversorgung:

Die abhängigkeit von Russischem Gas

Der Großteil der Fernwärme wird weiterhin aus Erdgas bereitgestellt. Wenn man nun zusätzliche Wohnungen an die Fernwärme anschließt, so muss für die zusätzliche Fernwärmeerzeugung auch wieder Erdgas herangezogen werden. Mit weniger Erdgas geht es für neu angeschlossene Wohnungen erst, wenn mehr Gebäude (auch solche, die bereits Fernwärme haben) gute Wärmedämmung bekommen und in großem Maßstab Tiefengeothermie (Thermalwasser) für die Fernwärme genutzt wird. Gemäß aktueller Planungen der Stadt Wien (siehe https://www.wien.gv.at/stadtentwicklung/energie/pdf/waerme-und-kaelte-2040.pdf, S. 54) soll der Gasverbrauch für die Fernwärme bis 2030 nur um etwa ein Viertel reduziert werden.

Fernwärme ist nicht schnell genug klimaneutral

Selbst bis 2040 soll die aus Gas erzeugte Fernwärmemenge gegenüber heute nur um 60% reduziert werden. Für die restlichen 40% soll „grünes Gas“ herangezogen werden, das nur mit großem technischen Aufwand und mit hohen Verlusten aus Strom erzeugt werden kann. Während Erdwärmepumpen seit langem technisch ausgereift und am Markt verfügbar sind, gibt es für „grünes Gas“ nur einzelne kleine Pilotanlagen. Niemand weiß, wie viel davon zu welchem Preis im Jahr 2030 oder 2040 erzeugt werden kann. Um von russischem Gas unabhängig zu werden, dauert es jedenfalls zu lange.

Mit Fernwärme kann man nicht kühlen

Mit der lokalen Erdwärmenutzung kann man im Sommer ohne zusätzlichen Energieaufwand auch moderat kühlen, mit Fernwärme geht das nicht. Angesichts der zunehmenden Hitzesommer ist das ein schwerwiegender Vorteil.

Argumente gegen Erdwärme

Gegen unseren Vorschlag, die Umgestaltung der Gumpendorfer Straße zu nutzen, um in großem Maßstab Erdwärmesonden anzulegen, werden zwei Argumente ins Treffen geführt:

„Die Gründerzeithäuser mit ihren gegliederten Fassaden können nicht ausreichend gedämmt bzw. mit Fußbodenheizungen ausgestattet werden, sodass sie nicht mit Wärmepumpen beheizt werden können.“

Die Anforderung von guter Dämmung und/oder Fußbodenheizung trifft gerade bei Erdwärmepumpen weit weniger zu als bei Luftwärmepumpen. Außerdem besteht unser Bezirk nicht nur aus Gründerzeithäusern: Wir haben in der Gumpendorfer Straße und unmittelbar angrenzend daran 115 Gebäude ohne gegliederte Fassaden gezählt, 14 davon sind Gemeindebauten oder öffentliche Gebäude, in denen die Stadt mit gutem Beispiel voran gehen könnte.

„Die sozialen, wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse in den einzelnen Häusern machen Entscheidungsfindung und Investitionen so schwierig, dass es lange dauert, bis die von der öffentlichen Hand im Voraus errichteten Erdsonden tatsächlich genutzt werden könnten.“

Da ist was dran. Daher haben wir Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung und eine Interessenserhebung unter Hauseigentümer:innen und Bewohner:innen beantragt. Das gleiche Argument gilt allerdings auch für den Anschluss eines Hauses an die Fernwärme.

Fazit

Klimafittes und unabhängiges Heizen & Kühlen ist kein Nice-to-Have, das man halt bleibenlassen kann, wenn es kompliziert wird. Die Wärmewende ist unverzichtbar, sowohl um unsere Demokratie und Souveränität zu bewahren, als auch um unsere völkerrechtlichen Verpflichtungen zum Klimaschutz zu erfüllen.

Auf die nächsten 30 Jahre, also die Lebensdauer der Straßengestaltung und der darunter verlaufenden Leitungen, die Chance der Erdwärmenutzung zu verspielen kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Selbst wenn die Erdwärmesonden nicht schon im Zuge der Umgestaltung angelegt werden, sollten sie zumindest dahingehend mitgeplant werden, dass es später bei Bedarf bereits ausgewiesene Stellen gibt, die mit Bohrgeräten zugänglich sind, an denen Erdwärmesonden ohne Konflikte mit Straßeneinbauten errichtet und die Straßenoberfläche leicht wiederhergestellt werden kann.